Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte vor ein paar Jahren ein Paradigmenwechsel in der Unterstützung für Menschen mit Behinderung vollzogen werden. Die Hoffnungen auf eine echte Veränderung hin zu einer inklusiven Gesellschaft waren groß, doch die Proteste gegen das Gesetz später noch größer.

Neben aller Kritik am BTHG gab es auch einige Verbesserungen für die Betroffenen hinsichtlich eines inklusiven Arbeitsmarktes. Doch so viel vorweg: Der große, erhoffte Coup war auch das bislang nicht. Denn die Alternativen kennt niemand.

Im Zuge des Bundesteilhabegesetzes trat zum 2018 das Budget für Arbeit bundesweit in Kraft. Mit dem Budget für Arbeit sollten Menschen mit Behinderungen bessere Möglichkeiten zur Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekommen. Darüber hinaus eröffneten so genannte andere Leistungsanbieter erstmals eine Alternative zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Menschen mit Behinderungen haben so theoretisch mehr Wahlmöglichkeiten für die Teilhabe am Arbeitsleben. Das Angebot vieler anderen Leistungsanbieter ist es, Werkstattberechtigten eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Meist sieht das so aus: Es wird dort den Interessen des Werkstattberechtigten ein Betrieb gesucht, in den der Mensch passt und wo er*sie seine individuellen Fähigkeiten einbringen kann. Die Begleitung durch einen anderen Leistungsanbieter ist individuell auf die Bedürfnisse und auf die Fähigkeiten jedes*r Teilnehmenden abgestimmt. Der Fokus, liegt also darauf, jede*n direkt in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkt – mit individueller Unterstützung – zu beschäftigen. Das geschieht zunächst in Form eines Praktikums, das aber mit dem Ziel eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses eingegangen wird. Wenn das Angebot des anderen Leistungsanbieters betrieblich erfolgt, liegt der Personalschlüssel  bei 1:4 (statt 1:6 im Berufsbildungsbereich und 1:12 im Arbeitsbereich einer WfbM). Meist wird dies dann noch durch einen Unterrichtstag und zum Austausch zwischen den Nutzer*innen ergänzt. 

Plakat der der Kampagne “Mehr möglich machen, weniger behindern.”

Plakat der der Kampagne “Mehr möglich machen, weniger behindern.” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 2016

Laut Rehadat sind aktuell (Stand 23.02.2021) 47 andere Leistungsanbieter bundesweit tätig. Als andere Leistungsanbieter gelten laut § 60 SGB IX alle Träger, die dafür die fachlichen Anforderungen erfüllen. Wie diese Anforderungen konkret aussehen, regelt das Land. Viele Länder haben sich jedoch streng an der Werkstättenverordnung orientiert, so dass für andere Leistungsanbieter die gleichen Vorschriften gelten, wie für Werkstätten für behinderte Menschen. Theoretisch brauchen sie keine besonderen Anforderungen an die räumliche und sächliche Ausstattung, rein praktisch schon. Allerdings durchlaufen sie kein förmliches Anerkennungsverfahren, wie Werkstätten es müssen. Andere Leistungsanbieter sind häufig kleiner als die Werkstätten und bieten oft nur Leistungen im Eingangsverfahren, Berufsbildungsbereich oder Arbeitsbereich an. Es gibt keine Beschränkung auf bestimmte Firmen oder eine Auswahl von Trägern, mit denen sie zusammenarbeiten können. Die anderen Leistungsanbieter sind nicht zur Aufnahme eines Menschen mit Behinderung verpflichtet, wie, es beispielsweise die Werkstätten sind. Nutzer*innen von anderen Leistungsanbietern haben dieselben Rechte, die sie auch in einer WfbM hätten. Sie  verdienen so viel wie in einer WfbM, haben die selben Rentenansprüche wie Beschäftigte einer WfbM und haben ein Rückkehrrecht in die WfbM, wenn es bei dem Anderen Leistungsanbieter nicht klappt. Arbeiten mehr als fünf Personen bei einem Anderen Leistungsanbieter, so müssen auch hier Vertretungen gewählt werden, die mit einem Werkstattrat und eine Frauenbeauftragte vergleichbar sind (§ 222 SGB IX).

Doch wie sieht das Praktisch aus? Das erzählen uns Nicole* und Florian*. Beide arbeiten in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarkts und erhalten dabei Unterstützung durch Ana Bubalo und Michael Jahn, die bei einem anderen Leistungsanbieter in Rosenheim arbeiten. 

*beide wollen nicht mit Nachnamen genannt werden

Teil 1 mit Nicole & Florian 

Teil 2 mit Ana Bubalo & Michael Jahn