Umfrageergebnisse

Inklusion und Arbeit

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der JOBinklusive Umfrage zur Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen

Diese Zusammenfassung gibt einen Überblick über die Ergebnisse einer von JOBinklusive im Herbst 2019 durchgeführten Online-Umfrage über die Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen (MmB). Sie wurde auf den Facebook, Twitter und Instagram Kanälen des Sozialhelden e.V. veröffentlicht und durch Mitglieder der Community weiter verteilt. Es nahmen 246 Menschen an der Umfrage teil. Da die Teilnahme an der Umfrage eine gewisse Internetaffinität voraussetzte und viele Teilnehmer*innen aus der Sozialhelden Community kamen, ist die Umfrage sicherlich nicht nach wissenschaftlichen Standards repräsentativ. Die Besonderheit dieser Umfrage liegt aber darin, dass die Community direkt auf der Peer-Ebene nach ihren Erfahrungen gefragt wurde, anstatt, wie so oft, Menschen mit Behinderungen lediglich theoretisch einzubeziehen. Mit dieser Umfrage wurden überwiegend MmB erreicht, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind. Eine weitere Umfrage sollte darauf gerichtet sein, jene Menschen zu erreichen, die in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten. 

Durch eine zusätzliche Auswertung von Kommentaren über Social Media, konnten die Ergebnisse aus der Umfrage in ihrer Tendenz bestätigt werden.

Der Weg ins Arbeitsleben    

Auf dem Weg ins Arbeitsleben ist die Rolle der Familie und Eigeninitiative  besonders  wichtig. So gab ein Viertel der Befragten an, dass die Familie die größte Hilfe war, auf dem Weg zu der jetzigen Arbeit. Ein Fünftel gab an, dass sie sich selbst die größte Hilfe waren. Auch Betriebe spielen mit runde 14% eine wichtige Rolle:

An anderer Stelle gab sogar die Hälfte der Befragten, die zum Zeitpunkt der Umfrage arbeitssuchend waren, an, dass ihre Familie die größte Hilfe auf der Suche nach Arbeit ist. Staatliche Stellen und Instrumente werden hier kaum genannt. Dies deckt sich mit dem Gesamteindruck, der sich aus den Daten ergibt. Die staatlichen Stellen werden nicht primär als unterstützend wahrgenommen. Ganz im Gegenteil: Für knapp ein Fünftel der Befragten stellte die Agentur für Arbeit die größte Hürde auf dem Weg in die jetzige Arbeit dar. Allerdings gaben knapp 30 % der Befragten an, dass das größte Problem darin besteht, einen Betrieb zu finden, der sie einstellt. 

Dies wirft Fragen nach dem Bewerbungsprozess auf. Gefragt wie der persönliche Bewerbungsprozess verlief, antworteten die Befragten folgendermaßen:

Erfreulich ist zunächst festzuhalten, dass etwas über ein Drittel der Befragten den Bewerbungsprozess als normal beschreibt. Allerdings gaben gleichzeitig rund 16 % an, Schwierigkeiten gehabt zu haben. Knapp 11% sahen sich mit Vorurteilen konfrontiert. Dass ein Praktikum helfen kann, das nötige Vertrauen zu schaffen, zeigt die Tatsache, dass gab knapp jede*r Zehnte im Anschluss an ein Praktikum im Betrieb übernommen wurde. 

Bei der Informationsbeschaffung zum Thema Arbeit und bei der Berufsorientierung ist das Internet mit Abstand die wichtigste Ressource. Knapp 58 % der Befragten gaben an, Informationen über Rechte und Möglichkeiten zum Thema Arbeit aus dem Internet zu beziehen. Zusammengenommen werden die Agentur für Arbeit und Beratungsstellen von nur etwa einem Fünftel als Informationsquelle genannt. Auch die Berufsberatung erledigten 40 % der Befragten eigenständig im Internet, während sich knapp ein Viertel an die Agentur für Arbeit wandten. 

Arbeitsalltag 

Rund 47 % der Befragten bestreiten ihren Arbeitsalltag ohne besondere Unterstützung oder Anpassungen.  44 % bekommen in irgendeiner Form Unterstützung, 9 % wissen nicht, ob sie Unterstützung bekommen. Für einen Großteil der Befragten wurde der Arbeitsplatz nicht angepasst:

Nur 6 % der Befragten haben andere Aufgaben als ihre Kolleg*innen ohne Behinderung. Durch besondere Hilfsmittel (knapp 23%) und Umbaumaßnahmen (rund 23%) ist ein gemeinsames Arbeiten für Personen möglich, die eine Anpassung des Arbeitsplatzes benötigen. Dennoch scheint es Probleme im Arbeitsalltag zu geben, denn rund ein Fünftel der Befragten fordern mehr Barrierefreiheit. Ein weiteres Fünftel wünscht sich mehr Verständnis. Außerdem werden Assistenz (9%), jemand, der oder die einem und dem Betrieb zur Seite steht (7%), mehr Pausen (5%) sowie ein Auto oder ein Fahrdienst (5%) etwa gleichermaßen oft als Unterstützung gefordert . 

Ein Großteil der Befragten hat aufgrund ihrer Behinderung schon Erfahrungen mit Diskriminierung bei der Arbeit gemacht:

In einer anschließenden offenen Frage wird vor allem von Mobbing und unangebrachten Kommentaren, Stigmatisierung, keiner Akzeptanz des Teams und mangelnder Barrierefreiheit berichtet. 

Für die Zukunft wurden dementsprechend mehr Barrierefreiheit und Verständnis, sowie Inklusion, Gleichberechtigung und weniger Vorurteile als die häufigsten Wünsche genannt. Außerdem wird die Einstellung von mehr MmB sowie mehr Unterstützung gewünscht. 

Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt braucht nach Einschätzung der Befragten vor allem: Inklusives Denken sowie Mut und Wille zur Inklusion, Aufklärung von Arbeitgeber*innen und Kolleginnen und Kollegen, Engagement von Arbeitgeber*innen, Barrierefreiheit, Empathie sowie strengere Konsequenzen bei Nicht-Einstellung von MmB. 

Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) 

Die klare Minderheit der befragten Personen ist in einer WfbM tätig (knapp 7 %). Ihre Erfahrungen wurden zusätzlich detailliert abgefragt. 

Knapp zwei Drittel geben an, erst eine andere Ausbildung / Arbeit gemacht zu haben und dann in die WfbM gekommen zu sein. Das verbleibende Drittel ist direkt nach der Schule in die WfbM gewechselt. 

Die Frage nach den positiven Aspekten an der Arbeit in einer WfbM ergab, dass die Aspekte, die am positivsten bewertet werden, die Kolleginnen und Kollegen und die Aussicht auf eine gute Rente sind.

Das Ergebnis der Gegenfrage nach den negativen Aspekten der Werkstätten gestaltet sich wie folgt: Fast ein Drittel der Befragten stört demnach ihre geringe Bezahlung am meisten. Ein Fünftel bemängelt, dass dort nur MmB beschäftigt sind.  

Die Hälfte der Befragten glauben, dass es außerhalb einer WfbM Arbeit für sie gibt. Ein Viertel zweifelt daran und das verbliebene Viertel weiß es nicht. Um außerhalb einer WfbM arbeiten zu können, brauchen die Befragten nach eigenen Angaben vor allem: Jemand, z.B. einen Jobcoach, der sie anleitet (25 %), Assistenz am Arbeitsplatz (knapp 19%) und einen Betrieb der sie einstellen will (knapp 12,5 %).

 Fazit

Abschließend bleibt festzuhalten, dass diese Umfrage ein diverses Meinungsbild ergibt. Die Befragten nehmen die Situation samt der Probleme differenziert war und fordern Veränderung. Diskriminierung, Stigmatisierung und Barrieren scheinen nach wie vor sehr präsent. Auch wenn die hier präsentierten Ergebnisse nicht als repräsentativ zu betrachten sind, weisen sie dennoch stark auf strukturelle Probleme der Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen hin. Folgende Punkte sind für die Arbeit von JOBinklusive besonders relevant:

  • Staatliche Beratungsangebote werden nicht als relevant wahrgenommen.
  • Unterstützungsmöglichkeiten im Arbeitsalltag werden häufig nicht angenommen oder umgesetzt.
  • Betriebe spielen eine wichtige Rolle für den Erfolg inklusiven Arbeitens. Gleichzeitig berichten die Betroffenen von  Vorurteilen und Diskriminierungen.
  • Die Familie ist ein wichtiges Unterstützungssystem. Dies birgt die Gefahr eines sozialen Problems, wenn Familien dies nicht (mehr) leisten können. 
  • Menschen mit Behinderungen beziehen ihre Informationen überwiegend über das Internet. 
  • Es sind vor allem externe und infrastrukturelle Hürden, die Menschen mit Behinderungen die Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unmöglich machen bzw. erschweren.