Die GUT GEFRAGT gGmbH macht Meinungsforschung in sozialen Angeboten für Menschen mit Behinderungen (z.B. Wohngruppen) in Hamburg und Umgebung. Dabei werden verschiedene Qualitätsmerkmale erhoben, um zu vergleichen, wie die Situation vor Ort tatsächlich ist und wie sie sein sollte. So können Verbesserungen angeregt werden. Das Besondere dabei ist der Peer-Ansatz: Menschen mit Behinderungen befragen Menschen mit Behinderungen. JOBinklusive hat einen Teil des Teams in seinem Büro in Hamburg Altona getroffen und unter anderem mit frisch gebackenen GUT GEFRAGT-Evaluator*innen gesprochen.

Jeremiah Tawiah und Stefanie Herbst haben es geschafft: Zum 1.10. wurden sie nach bestandener Ausbildung bei GUT GEFRAGT als Evaluator*innen eingestellt. Sie haben einen Arbeitsvertrag mit Tarifbindung bekommen und somit ihren Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden. Der Weg dahin war nicht immer einfach. Aufgrund der Corona-Pandemie startete die Ausbildung später als gewöhnlich und fand zunächst im Lockdown statt. Somit konnten die Auszubildenden lange Zeit keine Praxiserfahrung sammeln und mussten sich mit Theorie begnügen. Gerade, weil Praxiserfahrung in ihrem Beruf so wichtig ist, stellte dies eine große Herausforderung dar. Erst mit Lockerung der Corona-Beschränkungen in den Einrichtungen, waren Evaluationen vor Ort wieder möglich und die fehlende Praxis konnte aufgeholt werden. 

Während der Ausbildung waren die Auszubildenden über die alsterarbeit gGmbH, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, beschäftigt und hatten einen Werkstattbeschäftigtenvertrag. In der Zeit wurden sie von Jobcoaches begleitet und intensiv von der pädagogischen Leitung von GUT GEFRAGT auf ihre Arbeit vorbereitet. Sie lernten, Interviews zu führen, Präsentationen zu halten, den Umgang mit Kund*innen und den genauen Ablauf einer Evaluation. Dabei entwickelten sie ihre Stärken weiter und übten die Arbeit im Team. Stefanie Herbst berichtet, dass die Umstellung von der engen Begleitung während der Ausbildung hin zu mehr Selbständigkeit und mehr Verantwortung spürbar war. Mittlerweile gelingt die Koordination des Arbeitsalltags einwandfrei, unter anderem auch durch Assistenz im GUT GEFRAGT Team. Bürotage und Außeneinsätze der GUT GEFRAGT Evaluator*innen wechseln sich regelmäßig ab. Bei den Außeneinsätzen kommt es im Evaluationsprozess vor allem auf soziale Fähigkeiten an. Im Büro werden die Einsätze vor- bzw. nachbereitet, z.B. die Daten aufbereitet. 

Ablauf einer Evaluation 

Die Evaluation eines Angebots dauert in der Regel 2–3 Monate, dabei wird in verschiedenen Schritten vorgegangen. 

  1. In einem Qualitätszirkel legen Nutzer*innen, Management und Belegschaft des Angebots Qualitätsstandards fest. Soll zum Beispiel angeklopft werden, bevor das Zimmer betreten wird? Und soll es jeden Tag eine vegetarische Option beim Essen geben? 
  2. Anschließend findet die Evaluation statt. Neben einstündigen Befragungen von Nutzer*innen sind auch Beobachtungen möglich, um die Bedürfnisse von Nutzer*innen berücksichtigen zu können, die sich in einer Befragung nicht ausreichend mitteilen können. 
  3. Die Ergebnisse werden aufbereitet und allen beteiligten Gruppen präsentiert. So kann verglichen werden, wie die Situation vor Ort tatsächlich ist und ob sie den im Qualitätszirkel gemeinsam festgelegten Standards entspricht.
  4. Optional schließen an die Ergebnispräsentation Qualitäts-Workshops an, in denen Nutzer*innen, Belegschaft und Management gemeinsam Verbesserungen entwickeln. 

Mehr Informationen zu Ablauf und Hintergründen gibt es auf der Website von GUT GEFRAGT: https://www.gutgefragt.hamburg/ 

Bei der Evaluation ist es GUT GEFRAGT sehr wichtig zu betonen, dass Menschen, die Assistenz beziehen, Kunden sind. Sie sollen ihre Rechte kennen und darüber Bescheid wissen, dass Assistenz mitgestaltet werden kann. 

Menschen, die Assistenz beziehen, sind Kunden und sollten die Leistung dementsprechend bestimmen können.” Jeremiah Tawiah (seit 1.10. GUT GEFRAGT Evaluator)

Regelmäßig kommt es dazu, dass sich Nutzer*innen erst durch die Evaluation ihrer Rechte bewusst werden und Wünsche äußern (z. B. vegetarische Ernährung). Somit haben die Evaluationen auch einen aufklärerischen Charakter. 

Was passiert mit den Ergebnissen? 

Die Ergebnisse der Evaluation werden allen Beteiligten in  der Einrichtung zur Verfügung gestellt. Dabei ist die Aufbereitung in Leichter Sprache ein wichtiger Bestandteil. Anschließend bietet GUT GEFRAGT optionale Workshops an. Hier greifen die Teilnehmenden Themen auf , bei denen sie eine Veränderung anstreben, und erarbeiten konkrete Handlungspläne (Wer macht was, bis wann?). GUT GEFRAGT moderiert und unterstützt den Workshop und gibt weiterführende Informationen. Da spätestens mit diesen Workshops die Begleitung durch GUT GEFRAGT endet, liegt die Verantwortung bei den Einrichtungen, die Verbesserungen tatsächlich zu realisieren. Ob die umgesetzten Maßnahmen erfolgreich waren, kann in einer Folgeevaluation kontrolliert werden.

Elementarer Bestandteil der Arbeit von GUT GEFRAGT ist die Begegnung auf Augenhöhe. Nach dem sogenannten Peer-Prinzip führen Menschen mit Behinderung die Befragungen und Beobachtungen durch. Dieses Prinzip kommt in der Regel sehr gut bei den Befragten an und es entsteht schnell eine Vertrauensbasis. 

Das Prinzip der Augenhöhe ist aber nicht nur bei der Evaluation wichtig, sondern auch bei der Arbeit in einem inklusiven Team. Stefanie Herbst betont, dass andere Betriebe von dem respektvollen Arbeitsklima bei GUT GEFRAGT etwas lernen könnten und dass auch andere Betriebe die passgenaue Unterstützung bereitstellen sollten, die eine Person benötigt, um dort zu arbeiten. Jeremiah Tawiah führt weiter aus, dass Menschen mit Behinderung nicht als abstrakte Gruppe betrachtet werden sollten. “Oft werden Menschen in Schubladen gesteckt, stattdessen sollte das Individuum betrachtet werden, um zu schauen, was die Person kann oder nicht kann”. 

Das JOBinklusive Team gratuliert Jeremiah Tawiah, Stefanie Herbst und den anderen Auszubildenden herzlich zur bestandenen Ausbildung und wünscht weiterhin viel Erfolg und Spaß bei der Tätigkeit für GUT GEFRAGT.

Beitragsbild: GUT GEFRAGT gGmbH